Im Seminar wird die Verbindung von Singen und Yoga in einer Mischung aus Theorie und praktischen Übungen erläutert und erlebbar.
Artikel in der Zeitschrift SEIN vom 26.Mai 2014
Raum zulassen
Durch Entspannung und Atemwahrnehmung in der Yogapraxis wird der verfügbare Raum im Körper bewusster und kann dadurch besser in die Klangbildung integriert werden. Mit einer Qualität des „Zulassens“ werden Muskeln eingeladen, sich zu entspannen. Die beteiligten Gelenkstrukturen werden durchlässiger und justieren sich neu. So werden die körperlichen Voraussetzungen für die Optimierung des Gesangs geschaffen. Die Phase der Tiefenentspannung in einer Yogastunde schult diesen Prozess durch gezielte Fokussierung auf einzelne Körperteile. Die erworbene Vorstellungskraft vom eigenen Körper wird in der Stimmarbeit genutzt und ermöglicht die aktive Formung des Klangs.
Auch der Kontakt zum natürlichen Atemfluss ist für den Erwerb jeder ganzheitlichen Gesangstechnik notwendig, da er den Mundraum, die Entspannung im Kieferbereich, die Beweglichkeit der Zunge und die Verbindung zur Muskulatur der Diaphragmenkette* spürbar werden lässt. Die bewusste Verbindung mit dem natürlichen Atem wirkt wie ein Kompass, der den Sänger immer wieder zur Quelle des Gesangs zurückführt. Dieser Prozess, der Geduld und Respekt erfordert, ist individuell und geschieht über einen langen Zeitraum. Begeisterung und Freude für den Gesang können neu erblühen.
Ein fortgeschrittenes Stadium, das Sänger entwickeln können, ist die Fähigkeit, während des Singens verschiedene Orte im Körper gleichzeitig zu spüren und bewusst zu nutzen: Der „offene Hals“, bei dem Platz zwischen Stimmbändern, Taschenfalten und Kehldeckel entsteht, die Steuerung von Klang im Mundraum und seine Übertragung in den äußeren Raum. Auch der gesamte Tonus im Körper wird bewusster erlebt. Auf der emotionalen und intellektuellen Ebene kann man sich auf dieser Stufe bewusst auf die Bedeutung von Text und Hintergrund eines gesungenen Liedes konzentrieren. Dies wird unwillkürlich durch die Stimme transportiert und erzeugt eine spezifische Stimmung, die im Lied ausgedrückt wird.
Die Yogapraxis unterstützt das gesamte Wesen des Sängers in seiner Entspannung und Präsenz und kann es ihm ermöglichen, sowohl in der Vorbereitung als auch bei der künstlerischen Vorführung seine erworbenen Gesangstechniken optimal einzusetzen.
*Die verschiedenen Diaphragmen (Zwischenebenen) im Körper, vom Beckenboden über das Zwerchfell bis zum Zungengrund und zum Gaumen werden im Yoga speziell durch die Asanapraxis angesprochen. Entspannung und der Tonus dieser Diaphragmenkette ist für den Ausdruck der Stimme und für ihren Klang notwendig. Diaphragmen haben Reflexzonen im Körper, sie bedingen sich gegenseitig und stellen eine Verbindung zwischen Körperbereichen her. Ihre Flexibilität unterstützt den freien Fluss des Atems im Körper.